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Ein Blick in die Vergangenheit der Honigbienen

Natürliche und menschengemachte Selektionsfaktoren können die Zusammensetzung des Erbgutes in den Populationen von Organismen verändern. Wie sieht das bei den Honigbienen aus?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Im Falle der Honigbienen finden im Zusammenhang mit menschengemachten Einflüssen zwei gegenläufige Prozesse statt. Künstlich geschaffene Umweltfaktoren einer modernen Landwirtschaft belasten die Honigbienen. Zuchtbemühungen durch die Imker sollen zur Entlastung der Bienen führen, die so widerstandsfähiger auch gegenüber Parasiten und Krankheiten werden sollen. Die Veränderungen am Erbgut laufen als ein dynamischer Prozess ab, in dem wir in der Regel lediglich die aktuelle Situation beobachten können.

Eine internationale Forschergruppe aus Spanien und der Schweiz hatte den wunderbaren Einfall, Erbgut von Honigbienen, das im Naturhistorischen Museum in Bern aufbewahrt wird, zu analysieren und mit heute lebenden Bienen zu vergleichen.

Die dafür zur Verfügung stehenden molekularbiologischen Methoden sind derart hoch entwickelt, dass winzige Proben aus einem Hinterbein der wertvollen und ansonsten unversehrt bleibenden, präparierten Museums-Bienen für die Untersuchung ausreichend sind. Die dabei gewonnenen Proben der Erbsubstanz beschränkten sich auf sogenannte mitochondriale DNA und somit auf Gene, die rein mütterlicherseits weitergegeben werden. Zur Erklärung: Mitochondrien, die „Energiequellen“ der Körperzellen, werden nur über Eizellen und nicht über Spermien an die nächste Generation weitergegeben. Die in ihnen enthaltene DNA erlaubt somit, die mütterliche Abstammungslinie nachzuverfolgen.

Bei den untersuchten Honigbienen handelte es sich ausschließlich um die sogenannte Dunkle Biene Apis mellifera mellifera aus den Jahren 1879 bis 1959. Sie stammen also aus einer Zeit vor der Ankunft der Varroa-Milbe, die sich in den 80er Jahren rasant in Europa ausbreitete, und vor dem Einsatz von Neonicotinoiden, die zuerst in den 1990er Jahren in der Landwirtschaft Verwendung fanden. Zudem wurde in der Zwischenzeit die Bienenzucht immer weiter professionalisiert und auf bestens organisierte Zuchtprogramme aufgebaut. Auch sind wild lebende Honigbienenpopulationen heute im Vergleich zu damals drastisch zurückgegangen, sodass ein Austausch von Erbgut zwischen beimkerten und nicht-beimkerten Bienenvölkern immer unwahrscheinlicher wurde.

Die Frage, die sich die Forscher stellten, war: Spiegeln sich alle diese starken Veränderungen in den Lebensbedingungen der Honigbienen in deren Erbgut wider? In der Tat wurden etliche signifikante Unterschiede bei Genen entdeckt, die für das Leben und Überleben der Bienen relevant sind.
Am auffälligsten war dabei die Gengruppe, die Proteine festlegt, die neben weiteren Aufgaben im Immunsystem der Bienen eine wichtige Rolle spielen. Diese Gene haben sich in den grob gerechnet letzten 100 Jahren auffallend verändert. Neu-Parasiten und Krankheiten wie Varroa, Nosema und die Faulbrut haben erkennbare Anpassungsspuren hinterlassen.

Eine weitere in dieser Studie auffallende Gengruppe betrifft Gene, die für den Aufbau und die Funktion des Nervensystems zuständig sind. Die Übertragung von Erregung zwischen Nervenzellen geschieht über sogenannte Transmitter, für die es auf den Nervenzellen Empfängermoleküle gibt. In diesen Mechanismus greifen Insektizide ein, die als Pflanzenschutzmittel gegen Schadinsekten gerichtet werden. Das Nutzinsekt Honigbiene wird dabei unbeabsichtigt ebenso stark betroffen. Die beobachteten Veränderungen dieser Gen-Familie deuten darauf hin, dass sich die Honigbienen in ihrem Erbgut auch auf diese für die Bienen belastende Situation eingestellt haben.
Inwieweit die aufgefundenen Veränderungen des Erbgutes langfristig gut oder eher schlecht sind, weil damit möglicherweise eine Abnahme der genetischen Vielfalt und damit eine Einbuße für künftigen Anpassungsspielraum einhergeht, kann derzeit nicht beantwortet werden.

Literatur:
Pajera, M., Wragg, D., Henriques, D., Charriere, J.-D. & A. Estonba: Digging into the genomic past of Swiss honey bees by whole-genome sequencing museum specimens. Genome Biology and Evolution. https://doi.org/10.1093/gbe/evaa188

Abb. 1 im Teaser:
Honigbiene an Blüte (Foto: Ingo Arndt)

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