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Wie sich Honigbienen zum Sex finden

Wie sich Honigbienen zum Sex finden

Honigbienen haben keinen Sex, um sich zu vermehren, denn das geschieht durch die Teilung der ganzen Völker durch das Schwärmen. Vielmehr dient der Sex zur Durchmischung des Erbgutes der Bienenpopulationen, da in den befruchteten Eiern, aus denen die weiblichen Bienen entstehen, mütterliche und väterliche Allele der Gene durch den Zufall gut gemischt zusammenkommen.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Die Durchmischung des Erbgutes käme nicht zustande, wenn sich jungfräuliche Königinnen und Drohnen inzuchtartig innerhalb der gleichen Kolonie paaren würden. Tatsächlich vermeiden die Honigbienen Inzucht, indem sich die paarungsbereiten Jungköniginnen und die Drohnen der Kolonien einer Region in der Luft auf sogenannten Drohnensammelplätzen treffen. Dieses höchst spannende Detail im Leben der Bienen birgt noch immer viele Rätsel, aber es gibt auch Beobachtungen und plausible Überlegungen, die ein schlüssiges Bild ergeben.

Der etablierte Begriff „Drohnensammelplatz“ trifft nicht wirklich den Kern, denn es handelt sich um die Paarungsplätze der Bienen. Auch die jungfräulichen Königinnen versammeln sich dort, allerdings durch ganz wenige Individuen im Gegensatz zu den Tausenden Drohnen, die in der Luft ganze Wolken bilden und auch bei uns Menschen durch laute Fluggeräusche auf diese Ereignisse aufmerksam machen. Am erstaunlichsten ist die Tatsache, dass Drohnensammelplätze über viele Jahre an gleichen Orten zu finden sind. Es sind aber immer andere Bienengenerationen, die dort auftauchen. Das heißt, diese Orte können nicht aufgefunden werden, indem man sie durch erfahrene Bienen kennenlernt. Die Bienen machen es auf Anhieb richtig.

Drohnensammelplätze werden in vielen Regionen dieser Welt beobachtet. Sie können sich über Flächen mit einem Durchmesser von 30 bis zu 200 Metern erstrecken. Es sind offenbar optische Eigenheiten in der Landschaft, von denen Drohnen angezogen werden. Dabei kann es sich um exponierte Bäume oder um andere Auffälligkeiten in einer Horizontsilhouette handeln, seien es dunkle Objekte vor hellem Himmel oder helle Lücken in dunkler Front. Auch Wasserläufen, ober- oder unterirdisch, wird Leitlinienfunktion zugesprochen.

Aber es gibt auch ebenso Regionen, in denen sich das Paarungsgeschäft der Honigbienen vollkommen unauffällig vollzieht, in denen noch nie Drohnensammelplätze beobachtet worden sind. Das weckt den Verdacht, dass es sich bei den Drohnensammelplätzen um ein Phänomen handelt, das seine Ursache in einem Aggregationsverhalten der Drohnen hat, falls die geländemäßigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Finden sich geeignete Kristallisationskerne wie die genannten optisch auffallenden Landmarken, ergeben sich stabile Drohnensammelplätze, ansonsten geht es auch ohne.
Aber selbst in Regionen, in denen es Drohnensammelplätze gibt, lässt sich beobachten, dass diese fliegenden massiven Drohnenkonzentrationen nicht ortsstabil sind, sondern großräumig relativ rasch über einer Landschaft wandern können. Drohnenansammlungen sind zu sehen, lösen sich auf, bilden sich kurze Zeit später woanders, lösen sich wieder auf und tauchen danach an einer dritten Stelle auf. Die Landschaft erscheint wie mit einem dichten Drohnennetz überzogen, das sich hin und wieder stellenweise zu engen Knoten zusammenzieht.

Neueste Forschungen haben Drohnen mittels Radartechnik auf ihren Flügen zu den Drohnensammelplätzen verfolgt (Woodgate et al. 2021). Dabei zeigte sich, dass die Tiere nicht nur an den immer gleichen Orten auftauchen, sondern dass sie dorthin auch die gleichen Routen wählen. Nicht minder spannend ist ein weiteres Resultat der gleichen Forschergruppe: Die Drohnen suchen pro Ausflug nicht selten mehrere Drohnensammelplätze nacheinander auf. Woher kennen sie die Lage dieser Orte? Wie finden sie diese? Das sind nach wie vor ungeklärte Fragen.

Jungfräuliche Königinnen haben das gleiche Problem: Wie finden sie die Orte, an denen hoch in der Luft die Paarungen stattfinden? Sie verlassen ihr Volk im Alter von etwa einer Woche ein- oder mehrmals für eine Zeitspanne von in der Regel wenigen Minuten, aber durchaus auch bis zu einer Stunde. Nach erfolgter Paarung kehren sie zur Kolonie zurück. Die Paarungs-„Luftnummer“ ist für die Jungkönigin und damit für die gesamte Kolonie, deren fliegende weibliche Gameten die Königin darstellt, extrem riskant, denn Bienen werden im Flug von vielen Räubern angegriffen. Dabei muss man nicht einmal an Spezialisten wie den „Bienenwolf“ denken, eine Wespenart, deren Weibchen einzelne Bienen fangen und als Proviant für ihre Larven in Erdröhrchen stecken. Auch zahlreiche Vögel fangen Honigbienen und lernen, gefahrlos mit dem Giftstachel der Bienen umzugehen.
Soll also die Jungkönigin, dieses dünne Fädchen, das die Kolonie mit ihrer Zukunft verbindet, dieses Resultat der gemeinsamen Anstrengung aller Bienen einer Kolonie, vollkommen allein in der gefahrvollen Welt außerhalb der Kolonie unterwegs sein? Das ist eigentlich schwer vorstellbar. Die Bienenkolonien haben für jede denkbare Problematik optimale Lösungen hervorgebracht und sollen ausgerechnet für diese Schlüsselsituation im Leben des Superorganismus keinen Weg gefunden haben, ihre Zukunft besser abzusichern?

Geduldige Beobachter können den Zeitpunkt erwischen, an dem eine Jungkönigin auf Hochzeitsflug geht. Die jungfräuliche Königin verlässt mit einer Gruppe von bis zu 20 Arbeiterinnen zu Fuß das Nest bis vor die „Haustür“, worauf diese Gruppe sofort losfliegt. Nach erfolgter Paarung kehrt sie auch nicht alleine, sondern wiederum mit einer kleinen Gruppe Arbeiterbienen zum Nest zurück (Tautz 2007). Diese „Flugbegleiter“ könnten den Königinnen einen zweifachen Vorteil bringen. So lässt sich spekulieren, dass erfahrene Arbeiterinnen, die im Gegensatz zur Königin durch ihre Sammelflüge die Umgebung gut kennen, die Führung zu den Sammelplätzen übernehmen. Durch den sogenannten „Heringsschwarm-Effekt“ senken sie das Risiko für die Königinnen, in der Luft von einem Räuber ergriffen zu werden.
Ob das aber alles so zutrifft, was genau sich im Feld abspielt und welche Rolle die Arbeiterinnen dabei übernehmen, entzieht sich noch immer unserer Kenntnis.

Literatur:
Tautz, J.: Phänomen Honigbiene. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, München, 2007.

Woodgate, J.L., Makinson, J.C., Rossi, N., Lim, K., Reynolds, A.M., Rawlings, Ch.J., Chittka, L.: Harmonic radar tracking reveals that honeybee drones navigate between multiple aerial leks. iScience 2021. https://doi.org/10.1016/j.isci.2021.102499

Abb. 1 im Teaser:
Ein Drohn, der mit seinen riesigen Augen die dunkle Silhouette der fliegenden Königinnen gegen den hellen Himmel erkennt. Mit seinem Gesuchsinn auf den Fühlern nimmt er die Lockstoffe der Königinnen wahr und kann deren Spur im Flug verfolgen. (Foto: Ingo Arndt)

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